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Unternehmen suchen händeringend qualifiziertes Personal, gleichzeitig sind viele Fachkräfte auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Eigentlich hört sich das nach einer Win-win-Situation an, doch alles steht und fällt mit einer Person – dem Personaler.

Er trägt die Verantwortung, wer den Job erhält und wer mit leeren Händen nach Hause geht. Doch werden die Entscheidungen immer aus den richtigen Motiven getroffen?

Bewerbungsgespräche mit Personalern sind unangenehm. Ist ein passender Job auf einem Stellenportal wie jobsathome gefunden, kommt die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Das Gefühl, mit anderen Menschen verglichen zu werden und besser als diese abschneiden zu müssen, ruft in jedem Fall Unsicherheit und Ängste hervor. Meist geht es um die finanzielle Existenz, deshalb ist das Thema der Jobsuche sehr emotional besetzt.

Intuitiv weiß jeder Bewerber, dass es bei einem Einstellungsgespräch weniger auf die Fachkompetenz und Berufserfahrung ankommt. Obwohl es das eigentlich sollte! Es ist immer der erste Eindruck, mit dem beim Personaler in vielen Fällen die Entscheidung fällt.

Sehen wir von den unvermeidlichen Ängsten der Bewerber ab, stellt sich die Frage, ob auch Personaler immer die richtige Entscheidung treffen. Woran lassen sich hilfreiche Auswahlkriterien messen? Fakt ist, dass der Mensch in diesem Entscheidungsprozess das größte Problem darstellt. Das gilt auch und besonders für den Personaler.

Die Mutter der Porzellankiste – Personaler unter Druck

Vorsicht ist (nicht immer) die Mutter der Porzellankiste. Keine Frage – Personaler haben es schwer. Treffen sie im Bewerbungsverfahren eine „falsche“ Entscheidung, kostet dies das Unternehmen viel Geld. Sie und niemand anderer werden verantwortlich gemacht, wenn es Probleme mit der neuen Stellenbesetzung gibt. Konnten sie nicht ahnen, dass der oder die neue Probleme machen würde? Dass ihre oder seine Vorgeschichte einige dunkle Stellen hat, die sich nun doch bemerkbar machen?

Der Blick in die Zukunft löst Ängste bei Personalern aus

Im Klartext bedeutet das, dass die meisten Personalentscheidungen auf der Basis von Angst gefällt werden. Die Rechenschaftspflicht gegenüber der Unternehmensleitung ist allgegenwärtig und endet genau genommen erst dann, wenn der Mitarbeiter die Firma wechselt oder in den Ruhestand geht. Das Gefühl, für das Verhalten eines anderen Menschen verantwortlich zu sein, ist eine Bürde für den Personaler. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass Entscheidungen nur zögerlich getroffen werden oder in vielen Fällen nicht logisch nachvollziehbar sind.

Angst ist kein guter Berater, denn man versucht, auf Sicherheit zu setzen. Doch niemand kennt die Zukunft. Kein Personaler weiß, wie das Leben des potenziellen Mitarbeiters in einem Jahr aussehen wird. Welche möglichen Schicksalsschläge er oder sie zu verkraften hat. Ob es Krankheitsfälle in der Familie geben wird, die emotional demoralisieren. Ob die Kinder Probleme in der Schule bekommen oder eine Scheidung ins Haus steht, die den Betreffenden völlig aus der Bahn wirft. Niemand kann vorhersehen, wer wann welche Entscheidung treffen wird. Wozu sich also Sorgen machen? Weshalb einen Personaler in die Verantwortung nehmen, wenn sich der neue Mitarbeiter doch nicht als Glücksgriff herausstellt?

Eine Sache der Einstellung

Die Auswahl eines möglichen Mitarbeiters erfolgt im Hier und Jetzt. Selbst eine Vergangenheit mit Ausfallzeiten oder jahrelanger Mutterschaft darf kein Kriterium sein, einen Bewerber auszusortieren. Was zählt, ist der Mensch, und dieser kann sich ändern. Das ist nicht in jedem Fall so, aber es ist besser, von einer positiven Erwartung auszugehen. Wer das Beste im Menschen sieht, wird es interessanterweise auch zu sehen bekommen. Am Ende entscheidet die Einstellung des Personalers.

Bewerbung vor Entscheidern

Bisherige Entscheidungskriterien sind nicht mehr zeitgemäß!

Muss eine freie Stelle besetzt werden, geht es um berufliche Qualifikationen und Fähigkeiten. Dafür gibt es Lebensläufe, Zeugnisse und Nachweise über Zusatzqualifikationen. Natürlich sollte der Bewerber außerdem gute Umgangsformen haben, teamfähig sein und charakterlich stabil. Ein positives Rundumpaket also. Viele Personaler sind dabei der Meinung, über ausreichend Lebenserfahrung zu verfügen, um einen Menschen bezüglich seines Charakters einschätzen zu können. Doch das ist in den meisten Fällen ein Irrtum.

Viele falsche Entscheidungen entstehen auf der Basis von Fehleinschätzungen, wenn ein Personalbeauftragter auf seinen Ansichten und Überzeugungen besteht. Das Problem in dieser Situation ist kaum lösbar, denn wer zweifelt freiwillig seine eigenen Anschauungen an?

Welche Rolle spielen Zeugnisse für Personaler?

Nehmen wir das Auswahlkriterium „Zeugnis“. Provokative Frage: Was hat das Schulzeugnis mit einem Ausbildungsplatz zu tun? Wenn wir ehrlich wären, müssten wir antworten, dass ein Zeugnis keinerlei Auskunft über einen Menschen gibt. Was hat kurzzeitig abgespeichertes Wissen über das Römische Reich oder Endmoränen mit einer beruflichen Zukunft zu tun? Gar nichts. Was bringen sportliche Fähigkeiten oder Kenntnisse über die Lebensdaten von Malern, wenn jemand Jurist werden möchte? Gar nichts. Sagt ein Einser-Durchschnitt etwas über Kommunikationsfähigkeit oder Hilfsbereitschaft aus? Nein. Weshalb sollte ein Zeugnis also eine Rolle bei der Wahl des Personalers spielen?

Hier zählt die Menschenkenntnis des Personalers

Das heißt, in letzter Konsequenz müssen Personaler einen Menschen auf sich wirken lassen. Ohne an dessen Vergangenheit zu denken, um nicht in die Falle eigener Konditionierungen zu tappen. Doch das ist nur möglich, wenn man die eigenen blinden Flecken kennt. Die sogenannte Menschenkenntnis ist nämlich in den meisten Fällen nichts anderes als Erfahrungswerte aus der eigenen Kindheit.

Beispiele im Bewerbungsgespräch:

1. Jemand spricht ruhig und sanft.

Logische Schlussfolgerung: Er wird sich als Führungspersönlichkeit ganz sicher nicht durchsetzen können. Das könnte ein Fehlurteil sein. Es gibt genügend Menschen, die auf ruhige und besonnene Weise dirigieren können. Kennt der Personaler aus seiner Kindheit nur einen lauten und strengen Umgangston, kann er den Bewerber nicht für diese Position akzeptieren. Obwohl sanfte Überzeugungskraft immer der bessere Weg ist.

2. Verhaspelen und Redepausen

Ein Bewerber verhaspelt sich ständig beim Sprechen und legt Redepausen ein. Sofort wird ihm mangelndes Redevermögen unterstellt, was ihn für eine Führungskraft disqualifiziert. Warum? Vielleicht hat dieser Mensch mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und entschieden, komplett neu zu beginnen. Er hat sich Gedanken gemacht, in welchen Bereichen er gut ist, Erfahrungen gesammelt hat und wie er diese gewinnbringend für ein Unternehmen einsetzen kann. Muss er über seine vergangenen Lebensstationen sprechen, die ihm offensichtlich unangenehm sind, ist ein stockender Redefluss völlig normal. Dieser Mensch könnte die beste Führungskraft im Unternehmen werden, wenn da nicht der Knoten im Magen des Personalers wäre.

3. Weiblichkeit Mitte 30.

Das beste Beispiel für ein absolut überholtes Auswahlkriterium ist Weiblichkeit Mitte 30. Wird die Frage nach Kindern verneint, schrillen beim Personalentscheider die Alarmglocken. Was die Natur eingerichtet hat, wird einer Frau in den besten Jahren zum Verhängnis. Obwohl niemand weiß, wann das erste Kind kommt, wird an dieser Stelle aussortiert. Eine Schwangere ist nicht wirklich belastbar und ist das Kind geboren, braucht es für sie einen Ersatz. Doch wo ist das Problem? Knappe 9 Monate Schwangerschaft sollten lang genug sein, um für die Elternzeit ganz entspannt eine Vertretung zu finden.

Wenn es sich um die Vergabe von Home Office – Jobs handelt, wäre es sogar noch einfacher. Das Vereinbaren von Job und Kinderbetreuung in den eigenen vier Wänden muss ebenso organisiert werden wie den Nachwuchs rechtzeitig in die Kita zu bringen und pünktlich abzuholen. Nur, dass sich Home Office für viele Mütter leichter handhaben lässt.

Weshalb dann die Angst vor Mitarbeiterinnen in den besten Jahren? Sollten wir uns nicht daran erinnern, dass es ohne Mütter keine männlichen Unternehmer und keine männlichen Personaler geben würde? Irgendwer muss die Menschen auf die Welt bringen und ihnen Fürsorge in Form von Zeit und Geduld angedeihen lassen. Hier ist es höchste Eisenbahn, dass Personalentscheider ihre Einstellungen hinterfragen und endlich von überholtem Denken Abstand nehmen.

Neugierig, wie es weitergeht?

Den 2. Teil gibt es am 02.03.2022 ab 8:00 Uhr – natürlich hier